In der ersten Folge Fragen wir uns, woran man gute Argumente erkennt, denken über Kontexte nach, und ich spreche mit Marie über Ziele bei Meinungsverschiedenheiten.
Den Text des Logikblocks könnt ihr hier noch mal nachlesen:
Logikblock
Folge 1: Was ist Logik, und wozu kann ich sie gebrauchen?
Bei den einfachsten Formen der Logik geht es darum, grundsätzlich festzustellen, was ein gutes Argument ist – und das ganz unabhängig davon, worum es inhaltlich gerade geht. Es geht der Logik also um die Struktur von Argumenten, oder die Form. Aber was heißt das, und was bringt es uns?
Wenn wir uns im richtigen Leben streiten, geht es ja immer vor allem darum, ob wir inhaltlich einer Meinung sind oder ob wir die Meinungen unseres Gegenübers wenigstens vernünftig finden. Wenn das der Fall ist, naja, dann ist die Diskussion meistens beendet, alle sind zufrieden, her mit dem Kuchen. Wenn wir uns aber nicht einigen, bringen wir normalerweise Gründe, mit denen wir unsere Meinung untermauern, die uns selbst gut vorkommen, und von denen wir finden, dass sie unsere Gesprächspartnerin überzeugen müsste. Das heißt ganz allgemein: wir versuchen, Aussagen zu finden, die die Gesprächspartnerin akzeptiert, und die in einem Zusammenhang mit der Aussage stehen, die wir gerade begründen wollen.
Halt, stop, das ist zu theoretisch, wir brauchen ein Beispiel. Sagen wir, ich streite mich mit meinem Bruder über die Augenfarbe einer Kusine, die wir lange nicht gesehen haben. Ich sage, sie hat grüne Augen, mein Bruder ist überzeugt, dass sie blaue Augen hat. Jetzt suchen wir beide nach überzeugenden Belegen für unsere Meinung. Mein Bruder findet nun ein Foto, auf dem die betreffende Kusine drauf ist. Ich akzeptiere, dass das wirklich ein Foto meiner Kusine ist, und mein Bruder findet natürlich, dass das ein guter Beleg für seine Meinung ist: Wenn die Augen auf dem Foto blau sind, dann sind sie auch in Wirklichkeit blau. Der Zusammenhang besteht also irgendwie darin, dass wir beide akzeptieren, dass Fotos in der Regel die Welt ziemlich genau abbilden, und dass man Fotos also als Beleg für das Aussehen von Dingen heranziehen kann. Wir sprechen also über eine Regel, die uns etwas davon erzählt, wie das Foto und die Augenfarbe zusammenhängen – also wie man von dem Grund zur Meinung kommt.
Etwas formaler ausgedrückt sieht das Argument meines Bruders so aus:
Erste Behauptung: Wenn auf dem Foto einer Person die Augen blau sind, sind sie in der Regel in Wirklichkeit auch blau.
Zweite Behauptung: Dies ist ein Foto unserer Kusine, und die Augen auf dem Foto sind blau.
Also kann ich den Schluss ziehen: Die Augen unserer Kusine sind blau.
Die Logiker nennen übrigens die Behauptungen Prämissen und den Schluss Konklusion. Lateinkenntnisse sollen uns hier aber nicht weiter aufhalten. Und ich kann noch was verraten: dieses Argument ist aus logischer Sicht erst mal ziemlich gut: Wenn die beiden Behauptungen stimmen, dann stimmt auch der Schluss – und genau das ist es, was die formale Aussagenlogik tut: Sie ist ein Werkzeug, mit dem wir überprüfen können, welche Schlüsse aus den Behauptungen, die wir aufgestellt haben, gezogen werden können. Anders ausgedrückt: ob die Wahrheit erhalten bleibt.
Ist die Sache damit erledigt? Natürlich nicht! Ich will nämlich den Streit unbedingt gewinnen und ziehe nun ein Gegenargument aus der Tasche. Ich habe natürlich gemerkt, dass formal nicht viel zu machen ist, aber ich kann ja immer noch die Behauptungen, die mein Bruder aufgestellt hat, in Zweifel ziehen. Ich sage jetzt zum Beispiel, dass die besagte Kusine mir erzählt hat, dass sie manchmal mit bunten Kontaktlinsen experimentiert. Damit sage ich ihm, dass ich seine erste Behauptung nicht akzeptiere. Zur Erinnerung: Das war die Behauptung „Wenn auf dem Foto die Augen blau sind, sind sie es in echt auch“. Wenn eine von den Behauptungen nämlich nicht stimmt, nützt meinem auch das logischste Argument nichts.
Denn: Die Logik untersucht nur, ob es einen zwingenden Zusammenhang zwischen den Vorannahmen eines Arguments und dem Schluss des Arguments gibt. Es ist ihr völlig egal, wie der Inhalt des Arguments aussieht und ob wir hier über irgendetwas sprechen, das tatsächlich stimmt.
Wir werden uns in diesem Segment des Podcasts noch weiter damit beschäftigen, wie diese Zusammenhänge funktionieren, und auch wie sie schiefgehen können. Um inhaltliche Fragen geht es im Rest des Podcasts. Ich versuche dabei, es nicht allzu kompliziert und mathematisch zu machen (allein schon, weil nur die wenigsten Menschen sich mathematische Formeln vorstellen können, wenn sie nur vorgelesen werden). Ich möchte euch aber im besten Fall ein paar Tricks an die Hand geben, mit denen ihr schlechten Argumenten schneller auf die Spur kommt. Ihr werdet sehen, es gibt sie überall.
Das erste dieser Werkzeuge ist also dieses: Wenn dir ein Argument irgendwie nicht überzeugend vorkommt, frage dich mal: liegt das daran, dass ich den Annahmen, die mein Gegenüber macht, nicht zustimmen kann? Oder liegt es daran, dass der Zusammenhang zwischen den Annahmen und dem Schluss nicht belastbar ist? Liegt es am Inhalt, oder an der Logik selbst?
Wenn das nicht gleich klappt, ärgert euch nicht. Bertrand Russell, einer der Helden der mathematischen Logik, soll in einem Interview mal geantwortet haben: „Natürlich denke ich viel öfter logisch als normale Menschen – etwa einmal pro Monat!“