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Folge 2 – wer gibt hier den Ton an?

Wir eröffnen das Kabinett der logischen Fehlschlüsse mit dem Autoritätsargument. Und wir sprechen auch über andere Autoritätsfragen: Klara Hens erzählt uns von neuen Ansätzen in der Chorarbeit, die das Bild des musikalischen Leiters neu erfinden wollen.


Logikblock zum Nachlesen: Das Autoritätsargument

Kabinett der logischen Fehlschlüsse: Das Autoritätsargument

Ich habe ja schon angekündigt, dass es hier auch um schlechte Argumente gehen soll. Logische Fehlschlüsse können teil eines schlechten Arguments sein, und es gibt schön viele davon. Das Gute an ihnen ist, dass man, wenn man sich mal Gedanken darüber gemacht hat, sie ziemlich schnell erkennen kann – ehrlich gesagt gibt es auch so Spezialist*innen, die sie irgendwann überall sehen, so dass man gar keine vernünftige Diskussion mehr mit ihnen führen kann, weil sie ständig den Namen von irgendeinem Fehlschluss brüllen anstatt sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Solche Typen wollen wir natürlich nicht werden, also schauen wir erst mal, was „logischer Fehlschluss“ eigentlich heißt, und was es nicht heißt.

Dazu greifen wir kurz darauf zurück, was wir über logisch gültige Argumente gesagt hatten: Das sind die Argumente, bei denen wenn die Annahmen, die wir machen WAHR sind, dann muss zwingend auch der Schluss wahr sein. Die Wahrheit der Annahmen überträgt sich also auf unseren Schluss. Es geht keine Wahrheit durch die Schlussfolgerung selbst verloren: Wenn ich als Annahmen nur wahre Behauptungen oben reinstecke, kommt unten auch nur wahres raus. Und was ist ein Fehlschluss? Na das ist eben eine Argumentationsmethode, bei dem es sein kann dass ich oben nur wahre Behauptungen reinstecke, aber das Ergebnis trotzdem falsch ist. (Keine Angst, es kommen gleich Beispiele.) Achtung aber: dass ich einen Fehlschluss benutze bedeutet nicht unbedingt, dass ich inhaltlich unrecht habe – vielleicht gibt es andere gute Gründe oder Beweise für meine Position, aber mir ist eben gerade nur ein schlechtes Argument eingefallen. Oder mein Argument ist inhaltlich sogar gar nicht so schlecht, aber es ist eben nicht logisch zwingend, und deshalb ein logischer Fehlschluss. Ein gutes Beispiel für einen Fehlschluss, bei dem das gut möglich sein kann, ist das Autoritätsargument.

(Beispiel) Meine Hausärztin hat mir gegen mein Halsweh ein homöopathisches Medikament empfohlen.

Also muss an Homöopathie wirksam sein.

Ein erster Test um herauszufinden, ob ein Argument logisch gültig ist, ist nach (theoretisch möglichen) Ausnahmefällen zu suchen. Kann ich mir irgendeinen Fall vorstellen, in dem mir meine Hausärztin ein Medikament empfiehlt und dieses Medikament trotzdem nicht wirksam ist? Na klar, das geht! Meine Hausärztin kann sich irren, oder sie kann zum Beispiel der Meinung sein, dass ich dauernd versuche, mir Medikamente verschreiben lasse, weil ich dann das Gefühl habe, dass ich etwas tue, und sie empfiehlt mir deshalb etwas, was sie zwar nicht für wirksam, aber auch nicht für gefährlich in der Interaktion mit meinen anderen Medikamenten hält, oder sie hat gerade eine verantwortungslose und sadistische Phase und verschreibt absichtlich wirkungslose Medikamente. Bei diesem Test geht es nicht darum, ob diese Szenarien irgendwie wahrscheinlich sind, sondern nur ob es denkbar ist, dass alle Vorannahmen wahr und gleichzeitig die Schlussfolgerung falsch ist. Beim Autoritätsargument ist das ganz klar der Fall.

Nur weil jemand als Autorität angeführt wird, beweist das noch lange nicht, dass er oder sie Recht hat. Im schlimmsten Fall wird jemand als Autorität herangezogen, der gar kein Spezialist für das Thema ist, worum es gerade geht – ein berühmtes Beispiel ist „Einstein hat auch an Gott geglaubt“ (Wobei es auch Leute gibt, die in der Physik nach Gottesbeweisen suchen, dann bräuchten wir ein anderes Beispiel), oder es wird jemand als Autorität zitiert, von dem man gar nicht so genau weiß, wer das ist, ob es ihn wirklich gibt, und ob wir ihn als Autorität anerkennen sollten. Zum Beispiel das in der Werbung beliebte „Von Zahnärzten empfohlen“ (Wer sind diese Zahnärzte? Sind es viele? Haben Sie Studien durchgeführt? Welche Frage haben sie überhaupt gestellt bekommen? Fragen über Fragen!)

Also Probleme gibt es genug mit dem Autoritätsargument. Warum werden sie trotzdem so oft benutzt und warum wirken sie so überzeugend?

Das hat eigentlich sehr gute Gründe. Den allergrößten Teil unseres Wissens haben wir nämlich nicht selbst überprüft. Ich meine wirklich selbst an der Wirklichkeit überprüft und getestet – googlen gilt nicht!Das geht nämlich überhaupt nicht. Wenn wir uns nicht sehr stark auf die Erkenntnisse anderer Menschen, denen wir vertrauen, verlassen würden, könnten wir nichts voneinander lernen. Wir könnten nichts über die Welt erfahren, was nicht unmittelbar teil dessen ist, was wir selbst erleben. Es gäbe überhaupt kein gemeinsames Wissen, es gäbe keinen Fortschritt in der Wissenschaft, und niemand könnte je neue Entdeckungen machen, weil jeder erst mal wieder die Entdeckungen selbst machen müsste, die alle Menschen vor ihm auch schon gemacht haben. Ohne das Vertrauen, dass wir uns auf Erkenntnisse anderer Menschen verlassen können, wären wir nie von den Bäumen heruntergeklettert.

Und auch auf die Lebenswirklichkeit eines einzelnen Menschen bezogen ist es überlebenswichtig, in sehr vielen Fallen auf Autoritäten zu verlassen – das geht schon mit den eigenen Eltern los, die Am Anfang Autorität für alles mögliche sind und wenn das Kind noch klein ist wirklich sehr oft recht haben. Wir lernen also von Anfang an, dass es sehr wichtig ist sich den Wissensvorsprung anderer Menschen zunutze zu machen. Umgekehrt stellen wir auch immer wieder fest, dass „die Erwachsenen“ eben nicht immer Recht haben, und es ganz wichtig ist, Autoritäten zu hinterfragen. Der Umgekehrte Fall ist nämlich auch ein Fehlschluss: Nur weil ich kein Experte bin, heißt das nicht automatisch, dass ich Unrecht habe. Ich muss nicht erst mal Historikerin werden, um zu wissen, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat.

Übrigens sollte man sich nicht täuschen lassen: es gibt auch schlechte Autoritätsargumente für Positionen, die man für sehr vernünftig hält. Mein Browser verrät mir zum Beispiel gerade, dass Sebastian Vettel sich für ein Tempolimit ausspricht. Meine erste Reaktion darauf ist „Jawohl!“, aber natürlich ist die Tatsache dass irgendein Rennfahrer etwas über die Straßenverkehrsordnung sagt kein gutes Argument für eine Gesetzesänderung.

Prinzipiell ist es für die Gültigkeit eines Argumentes erst mal völlig irrelevant, von wem es vorgebracht wird. Wenn wir wirklich gute Argumente finden wollen, müssen wir zwischen den beiden berechtigten Interessen „Wissensvorsprung nutzen“ und „Irrtümer erkennen“ abwägen.

Und wie machen wir das sinnvollerweise? Welche Qualitäten muss also ein brauchbares Autoritätsargument haben? Leider muss man dazu ein bisschen genauer hinschauen. Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Erkenne ich die genannte Autorität eigentlich als vertrauenswürdig an? Akzeptiere ich, dass sie weiß, wovon sie spricht und ist sie glaubwürdig oder handelt es sich wahrscheinlich um eine schlecht ausgebildete oder verlogene Person? Ist sie wirklich eine Autorität auf dem Gebiet, um das es gerade geht, oder werde ich zum Beispiel aufgefordert zu glauben, was ein Ernährungsberater über Krebs sagt? Ist die Person objektiv oder verfolgt sie gerade auf diesem Gebiet Eigeninteressen, wie zum Beispiel in einer Studie zum Klimawandel, die von der Erdölindustrie bezahlt wird? Kann ich mich darauf verlassen dass die genannte Autorität überhaupt richtig zitiert wird? Ist das Zitat wirklich von der betreffenden Autorität? Und wenn ja, steht es in dem Kontext, in dem es gerade zitiert wird? Gibt es andere Autoritäten auf diesem Gebiet, die die gegenteilige Position vertreten und wenn ja, wer hat dann die besseren Argumente?

Wenn alle diese Punkte zufriedenstellend erfüllt sind, handelt es sich immer noch nicht um ein logisch zwingendes Argument, aber möglicherweise trotzdem um ein sehr gutes Argument, das die These, die damit gestützt werden soll, zumindest wahrscheinlich macht.

Es ist sicher kein Zufall, dass diese eine ernsthafte Überprüfung von Argumenten komplizierter ist,als twittertaugliche Diskussionen nach dem Modell: „Aber mein Papa hat gesagt…“ gegen „Fehlschluss!“ Sie bringt aber erstens Spaß und uns zweitens der Wahrheit wahrscheinlich näher.

Wenn ihr Lust habt, das ein bisschen zu üben, sammelt doch mal ein paar Beispiele für gute und schlechte Autoritätsargumente und überlegt was ihr daran gut oder schlecht findet. Und lasst euch dabei nicht von eurer eigenen Meinung reinlegen!

Folge 1 – Meinungen und Deinungen

In der ersten Folge Fragen wir uns, woran man gute Argumente erkennt, denken über Kontexte nach, und ich spreche mit Marie über Ziele bei Meinungsverschiedenheiten.


Den Text des Logikblocks könnt ihr hier noch mal nachlesen:

Logikblock

Folge 1: Was ist Logik, und wozu kann ich sie gebrauchen?

Bei den einfachsten Formen der Logik geht es darum, grundsätzlich festzustellen, was ein gutes Argument ist – und das ganz unabhängig davon, worum es inhaltlich gerade geht. Es geht der Logik also um die Struktur von Argumenten, oder die Form. Aber was heißt das, und was bringt es uns?

Wenn wir uns im richtigen Leben streiten, geht es ja immer vor allem darum, ob wir inhaltlich einer Meinung sind oder ob wir die Meinungen unseres Gegenübers wenigstens vernünftig finden. Wenn das der Fall ist, naja, dann ist die Diskussion meistens beendet, alle sind zufrieden, her mit dem Kuchen. Wenn wir uns aber nicht einigen, bringen wir normalerweise Gründe, mit denen wir unsere Meinung untermauern, die uns selbst gut vorkommen, und von denen wir finden, dass sie unsere Gesprächspartnerin überzeugen müsste. Das heißt ganz allgemein: wir versuchen, Aussagen zu finden, die die Gesprächspartnerin akzeptiert, und die in einem Zusammenhang mit der Aussage stehen, die wir gerade begründen wollen.

Halt, stop, das ist zu theoretisch, wir brauchen ein Beispiel. Sagen wir, ich streite mich mit meinem Bruder über die Augenfarbe einer Kusine, die wir lange nicht gesehen haben. Ich sage, sie hat grüne Augen, mein Bruder ist überzeugt, dass sie blaue Augen hat. Jetzt suchen wir beide nach überzeugenden Belegen für unsere Meinung. Mein Bruder findet nun ein Foto, auf dem die betreffende Kusine drauf ist. Ich akzeptiere, dass das wirklich ein Foto meiner Kusine ist, und mein Bruder findet natürlich, dass das ein guter Beleg für seine Meinung ist: Wenn die Augen auf dem Foto blau sind, dann sind sie auch in Wirklichkeit blau. Der Zusammenhang besteht also irgendwie darin, dass wir beide akzeptieren, dass Fotos in der Regel die Welt ziemlich genau abbilden, und dass man Fotos also als Beleg für das Aussehen von Dingen heranziehen kann. Wir sprechen also über eine Regel, die uns etwas davon erzählt, wie das Foto und die Augenfarbe zusammenhängen – also wie man von dem Grund zur Meinung kommt.

Etwas formaler ausgedrückt sieht das Argument meines Bruders so aus:

Erste Behauptung: Wenn auf dem Foto einer Person die Augen blau sind, sind sie in der Regel in Wirklichkeit auch blau.

Zweite Behauptung: Dies ist ein Foto unserer Kusine, und die Augen auf dem Foto sind blau.

Also kann ich den Schluss ziehen: Die Augen unserer Kusine sind blau.

Die Logiker nennen übrigens die Behauptungen Prämissen und den Schluss Konklusion. Lateinkenntnisse sollen uns hier aber nicht weiter aufhalten. Und ich kann noch was verraten: dieses Argument ist aus logischer Sicht erst mal ziemlich gut: Wenn die beiden Behauptungen stimmen, dann stimmt auch der Schluss – und genau das ist es, was die formale Aussagenlogik tut: Sie ist ein Werkzeug, mit dem wir überprüfen können, welche Schlüsse aus den Behauptungen, die wir aufgestellt haben, gezogen werden können. Anders ausgedrückt: ob die Wahrheit erhalten bleibt.

Ist die Sache damit erledigt? Natürlich nicht! Ich will nämlich den Streit unbedingt gewinnen und ziehe nun ein Gegenargument aus der Tasche. Ich habe natürlich gemerkt, dass formal nicht viel zu machen ist, aber ich kann ja immer noch die Behauptungen, die mein Bruder aufgestellt hat, in Zweifel ziehen. Ich sage jetzt zum Beispiel, dass die besagte Kusine mir erzählt hat, dass sie manchmal mit bunten Kontaktlinsen experimentiert. Damit sage ich ihm, dass ich seine erste Behauptung nicht akzeptiere. Zur Erinnerung: Das war die Behauptung „Wenn auf dem Foto die Augen blau sind, sind sie es in echt auch“. Wenn eine von den Behauptungen nämlich nicht stimmt, nützt meinem auch das logischste Argument nichts.

Denn: Die Logik untersucht nur, ob es einen zwingenden Zusammenhang zwischen den Vorannahmen eines Arguments und dem Schluss des Arguments gibt. Es ist ihr völlig egal, wie der Inhalt des Arguments aussieht und ob wir hier über irgendetwas sprechen, das tatsächlich stimmt.

Wir werden uns in diesem Segment des Podcasts noch weiter damit beschäftigen, wie diese Zusammenhänge funktionieren, und auch wie sie schiefgehen können. Um inhaltliche Fragen geht es im Rest des Podcasts. Ich versuche dabei, es nicht allzu kompliziert und mathematisch zu machen (allein schon, weil nur die wenigsten Menschen sich mathematische Formeln vorstellen können, wenn sie nur vorgelesen werden). Ich möchte euch aber im besten Fall ein paar Tricks an die Hand geben, mit denen ihr schlechten Argumenten schneller auf die Spur kommt. Ihr werdet sehen, es gibt sie überall.

Das erste dieser Werkzeuge ist also dieses: Wenn dir ein Argument irgendwie nicht überzeugend vorkommt, frage dich mal: liegt das daran, dass ich den Annahmen, die mein Gegenüber macht, nicht zustimmen kann? Oder liegt es daran, dass der Zusammenhang zwischen den Annahmen und dem Schluss nicht belastbar ist? Liegt es am Inhalt, oder an der Logik selbst?

Wenn das nicht gleich klappt, ärgert euch nicht. Bertrand Russell, einer der Helden der mathematischen Logik, soll in einem Interview mal geantwortet haben: „Natürlich denke ich viel öfter logisch als normale Menschen – etwa einmal pro Monat!“